Olsberg. Hoffentlich ist das wirklich gesund. Angenehm ist es nicht. Erst fühlt es sich nur kalt an, dann tut es weh, anschließend spürt man gar nichts mehr. Umso schöner, wenn der Schmerz vorbei ist: wohlig warm und lebendig. Barfuss im Schnee - das ist der spektakuläre Teil einer Kneippwanderung.
In den Ferien immer mittwochs, ansonsten auf Bestellung, geht es von der Olsberger Touristeninformation auf den 40 Kilometer langen Kneippweg rund um den Kur- und Wanderort. Immer auf ein Teilstück, versteht sich. Zwei bis drei Stunden sind genug. Diesen Mittwoch hat sich Gudrun Hagemeister, eine von drei Kneippweg-Animateurinnen, den Weg von der Roten Brücke nördlich des Borbergs zum Papendieck, zum Maxstollen und in einem Rundkurs wieder zurück vorgenommen. Und wegen der Witterungsbedingungen - minus fünf Grad, hoher Schnee, und von oben kommt fleißig neuer dazu - wird nicht zum Wassertreten Halt gemacht und für diverse Güsse, sondern zum Schneetreten.
Aber zunächst müssen wir - eine kleine Gruppe mit Urlaubern aus Werne und Detmold, mehreren Einheimischen, zwei Journalisten und zwei Hunden, in normaler Ausstattung durchs Weiße. „Die Füße sollen richtig warm werden”, sagt Gudrun Hagemeister, „sonst verträgt der Körper die Kälte hinterher nicht”. Und darum geht es bei Kneipp - dem Körper Gutes tun.
Eis unter Pulverschnee
Dazu dient auch schon die Wanderung, die nicht so völlig ohne ist. Denn unter dem neuen Pulverschnee liegt festes Eis. Da muss man gut hintreten, um nicht zu rutschen. Und außerdem geht es bergauf. Doch öfter bleiben wir auch kurz stehen, denn die Fachfrau an der Spitze kennt nicht nur den Weg, sie hat auch viel zu erzählen.
Zum Beispiel über die deutlich von Kyrill beeinflusste Landschaft: Der Glockenpfad führt zum ehemaligen Kloster auf dem Borberg, wo bei Gefahr die Glocken geläutet wurden, gegenüber hat man Eisen aus dem Berg geholt. Oder über Sebastian Kneipp, den bayerischen Priester, der im 19. Jahrhundert die Wasserkur erfand. Erst bekämpfte er mit Bädern im winterlichen Fluss seine TB, 1884 heilte er 45 Menschen während einer Cholera-Epidemie. Das war sein Durchbruch.
Lieber zur Hebamme
Und ein Kneipp-Schüler, Sanitätsrat Dr. August Grüne, eröffnete bereits zehn Jahre später in Olsberg seine „Kaltwasserheilanstalt”. Die Patienten kamen aus den Städten, die Menschen am Ort gingen aber lieber zur Hebamme als zum neuen und einzigen Ort. „Dann hat er sie eben geheiratet”, erzählt Gudrun Hagemeister pragmatisch.
Inzwischen sind wir an der ersten Wassertretstelle angekommen. Hier setzt man sich im Sommer schön auf die Bank, hält die Füße ins Nasse und läuft ein wenig. Jetzt aber sind vor lauter Schnee nicht einmal die Bänke zu sehen. Egal: Raus aus den Schuhen! Dem Ruf folgen bis auf den zwangsverpflichteten Berichterstatter nur die Damen aus der Gruppe. Die Herren mögen es offenbar lieber bequem.
Also dann: Kalt, kälter, unerträglich. Drei Minuten sind das Maximum. Mehr müssen nicht sein, meint Gudrun Hagemeister. Dann - anders als beim Wassertreten - abtrocknen, schnell wieder in Schuhe und Socken. Zur Belohnung gibt es einen Thymian-Tee mit Honig und ein Mini-Pülleken Olsberger Kneippwasser (32 Prozente). Aber das Entscheidende: Das Kalte am Fuß wirkt auf den Hormonhaushalt, den Kreislauf, den Stoffwechsel und die Organe. Wir haben etwas getan zur Stärkung unseres Immunsystems. Das schafft ein gutes Gewissen. Und die Füße sind jetzt auch sehr schön warm. Aber jeden Tag muss das nicht sein.