Sauerländerinnen und Sauerländer zu Gast in Fruges

Olsberg/Fruges. Eine beeindruckende Gedenkstätte für hunderttausende gefallene Soldaten, die Marseillaise, Feuerwerk am Nationalfeiertag 14. Juli 2025 sowie ganz viel europäische Gastfreundschaft erlebten 20 Jugendliche aus Olsberg und Umgebung jetzt im nordfranzösischen Fruges. Eine Woche lang waren die 12 bis 17 Jahre alten Sauerländerinnen und Sauerländer zu Gast in Olsbergs Partnerkommune mit ihren vielen kleinen verstreuten Ortsteilen. Wie immer war das Programm geprägt von vielen Aktivitäten, die Spaß machen und Gemeinschaft fördern, wie zum Beispiel die obligatorischen Besuche im Freizeitpark oder am Meer. Dieses Mal tauchten die jungen Menschen aber noch mehr als sonst tief in die Geschichte, die Politik und das Alltagsleben der französischen Freunde ein.

Nicht zuletzt forderte das umgestaltete Förderprogramm des Austausches ein Mehr an Auseinandersetzung mit dem europäischen Nachbarn. Dies nahmen – insbesondere mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Lage in ganz Europa – alle Organisatoren in Fruges wie in Olsberg bereitwillig auf. Schon im Januar machten sie sich daran, dem Programm mehr politischen und historischen Inhalt zu geben. Eine französische Teilnehmerin entwarf sogar ein Quiz mit Fragen zu Unterschieden im politischen System wie zu Erlebnissen an den einzelnen Reisetagen.

„Mort pour la France“ – zu Deutsch „Gestorben für Frankreich“, eine französische Ehrung, die an Personen verliehen wird, die im Krieg gestorben sind: Diesen Satz durften zum Beispiel im kleinen Verchin (ca. 200 Einwohner) auch die deutschen Gäste aussprechen und am Nationalfeiertag einen kleinen Stein an die Gedenkstätte legen. Auf jeden Stein war der Name eines Menschen geschrieben, der im Krieg sein Leben für Frankreich gelassen hat. Die Marseillaise beendete die Zeremonie, die deutschen Gäste durften mit in den Gemeindesaal und erlebten echtes Miteinander mit den Dorfbewohnern. „Welch ein Geschenk!“, so die drei Betreuerinnen Claudia Stockhausen, Martina Funke-Linnemann und Sonja Funke.

Die Gastfreundschaft setzte sich in den Familien fort. Am 14. Juli waren alle nur mit ihren Gastgebern unterwegs, ob zum Feuerwerk, zum Ausflug oder zur Zeremonie. Mit viel Elan und Fürsorge bereiteten die französischen Eltern über die Woche Grillabende und Lunchpakete vor und immer begleiteten mindestens drei von ihnen die Ausflüge.

Ziegenhof, Schlossruine, Gedenkstätten und eine Bürgermeisterin zu Besuch

So ging es gemeinsam zu einem Ziegenhof im Ort Fressin, inklusive Führung und Verkostung. Gemeinsam mit den Ziegen liefen anschließend alle zu einer Schlossruine, wo es jede Menge Spiele und mehr zum Erkunden gab. Mittags kam die örtliche Bürgermeisterin zu Besuch, um etwas über die Kommunen in Frankreich zu erzählen. Sie legte sogar ihre offizielle Schärpe um und posierte mit fürs Gruppenbild. „Spannend, wie anders und doch gleich hier die Strukturen sind“, fanden die drei Begleiterinnen. Anders, weil das Gros der Dörfer in der französischen Nachbarkommune viel kleiner ist als etwa in Olsberg. Gleich, weil hier wie dort die demokratische Grundordnung die Basis ist. Ob nun Bürgermeisterin oder Ortsvorsteher – hier wie dort gilt es, sich um Baustellen, Dorffeste oder neu entstehende Windparks zu kümmern. Abends spielte nur für die deutschen Gäste der Musikverein aus Créquy, der mit dem Olsberger Musikverein Eintracht befreundet ist.

Der beeindruckendste Tag fand in der Mitte der Woche statt, als die Gruppe zwei Gedenk- und Begräbnisstätten für Gefallene des ersten Weltkriegs besuchte. In Notre Dame de Lorette, dem größten Soldatenfriedhof Frankreichs, der zwischen den Städten Arras und Lens liegt, spürten alle intensiv, in welch historischer Gegend sie unterwegs waren. In der Gegend des Departement Pas-de-Calais fielen Hunderttausende von Soldaten allein im ersten Weltkrieg. Auf einem Hügel von weitem sichtbar, erinnert eine Kapelle daran, umsäumt von zehntausenden nach hierhin umgesiedelten Soldatengräbern.

Eindrucksvolles Monument nebenan war der 2014 eröffnete „Ring der Erinnerung“, auf dem rund 600.000 Namen von im Norden Frankreichs Gefallenen – Deutschen wie Briten und Franzosen – eingraviert sind. „Ich habe unseren Namen gefunden!“ - viele der deutschen Gäste entdeckten diesen auf den riesigen Stahlplatten. Und es blieb eine gemeinschaftliche Frage, die ein Jugendlicher formulierte und auf die es wohl keine vernünftige Antwort gibt: „Warum gibt es das überhaupt, Krieg?“

Die Frage wurde noch eindrücklich untermauert durch das Denkmal von Vimy, das an die Schlacht der Kanadier von 1917 erinnert. Aus dem Bus heraus sahen sie die abgesperrte Hügellandschaft aus Minen- und Bombenkratern. Das weiße Denkmal und noch vorhandene Schützengräben sind weitere eindrucksvolle Zeugen vom Kriegsgeschehen an diesem Ort.

Vom „Mort pour la France“ führte der Weg auf dieser Fahrt trotz aller Schrecken vergangener Kriege dennoch direkt zum „Vive l’Europe“ (Es lebe Europa), weil dies die Jugendlichen jeden Tag selbst lebten. Ob in den Gastfamilien, auf Schnitzeljagden oder beim Besuch des Marktes in Brilons Partnerstadt Hesdin: Sie halfen sich gegenseitig, übersetzten und schufen gemeinsame Erinnerungen.

Im Freizeitpark ließen sie sich durch die Luft wirbeln und sprangen gemeinsam in Berck-sur-Mer, nahe Winterbergs Partnerstadt Le Touquet, in die Atlantik-Wellen. Finale: der große Gemeinschaftsabend mit Disco. Einmal mehr wurden beim Abschied am Bus nicht wenige Tränen vergossen und die Vorfreude auf das nächste Treffen 2026 ist groß. Tschüss Fruges, hallo Olsberg!

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Infos aus erster Hand über Kommunalpolitik in Frankreich gab es für die Jugendlichen von der Bürgermeisterin des Ortes Fressin.

Bild oben: Eindrucksvolles Monument war der 2014 eröffnete „Ring der Erinnerung“, auf dem rund 600.000 Namen von im Norden Frankreichs Gefallenen – Deutschen wie Briten und Franzosen – eingraviert sind.

Fotos: Sonja Funke