Hohe Temperaturen, Schneeschauer, starke Winde am Meer und dazu noch die eigenen Grenzen bis zur absoluten Erschöpfung überwinden: Acht Radfahrer aus dem Sauerland plus Begleitfahrzeug haben sich ein großes Ziel gesetzt. Mit dem Rennrad – selbstverständlich ohne Motor – wollen sie in nur sieben Tagen über die Alpen bis hin zum Mittelmeer nach Nizza fahren. Eine Tour mit einer Länge von 1.400 Kilometern und 12.000 Höhenmetern, die für die Truppe sicherlich die ein oder andere Herausforderung bereithält.
Anne und Volker Müller (Bigge), Juliane Sprenger-Becker (Brilon), Xaver Fernandes (Olsberg), Reiner Trahe (Medebach), Carsten Nagel (Olsberg), Moritz Schnatenberg (Olsberg) und Pavel Kowalski (Dresden) sowie Josef Schneider mit seinem Begleitfahrzeug (Meschede) starten am Samstag, 26. August 2023, in Olsberg an der Dorfkammer.
Die Vorbereitung
Getreu dem Motto „fahren, essen, schlafen, wiederholen“ geht es morgens um 7 Uhr nach einem kalorienreichen Frühstück los, um das ambitionierte Vorhaben umzusetzen. „Wir haben uns eigens für diese Tour zusammengetan; waren ursprünglich 13 Teilnehmer, doch aufgrund von Trainingsrückständen sind einige ausgeschieden“, so Carsten Nagel, der bereits seit März mehrmals pro Woche kräftig trainiert. „Diese Strecke wird uns alles abverlangen, so eine Herausforderung hatte ich noch nie zu bewältigen. Normal sind drei Tage fahren und danach ein Tag Ruhe.“
Diesmal sind die Strapazen riesig, genau wie die Alpen, die es zu überwinden gilt. Nagel und sein Team fahren seit Monaten den Ruhrtalradweg von der Quelle bis nach Duisburg, den Rothaarsteig bergauf und bergab, rund um die heimischen Seen wie Bigge, Möhne, Sorpe, Diemel und Henne, sowie nach Gießen und zurück. 200 bis 400 Kilometer fast täglich, dazu eine entsprechende Ernährung, um die auferlegten „Torturen“ zu bewältigen. Insgesamt sind die Radsportler zur Vorbereitung 45.000 Kilometer in heimischen Gefilden unterwegs gewesen, haben 550.000 Höhenmeter im Training absolviert.
Die Ernährung
„Wir brauchen täglich mindestens 8.000 Kalorien und bis zu zehn Liter an Getränken, sonst droht der Hungerast (Ermüdung des zentralen Nervensystems)“, ergänzt der Olsberger Radsportprofi. „Vor dieser Tour haben wir alle gehörigen Respekt.“ Konkret bedeutet das für das ehrgeizige Team, allein beim Frühstück um 7 Uhr 1.500 Kalorien zu verdrücken. Müsli, mehrere belegte Brötchen, Eier mit Speck und Schinken, Obst und Gemüse stehen zum Auftakt des Tages auf dem Speiseplan. Gegen 11 Uhr dann die nächsten 1.000 Kalorien in Form von Brötchen mit Wurst, Käse und Honig. Beim Mittagessen um 14 Uhr heißt es weitere 2.000 Kalorien „in sich reinzuschaufeln“. Pizza, Nudelgerichte, Fleisch und Fisch gehören genauso zum Menü wie Aufläufe oder süße Nachspeisen.
„Um 16 Uhr zum Kaffee gibt es dann mal eben eine viertel Torte mit rund 500 Kalorien, um 17.30 Uhr Snacks mit 1.200 Kalorien. Höhepunkt des Tages ist abschließend das 2.500 kalorienreiche Abendessen mit Pizza, Pasta und Nachspeisen“, sagt Nagel mit einem Grinsen im Gesicht.
Er ergänzt: „Während der Fahrt essen wir zusätzlich Trockenfrüchte, Müsliriegel, Studentenfutter und Nüsse, trinken Wasser, Cola, Isodrinks und Espresso.“ Trotzdem sei schon gewiss, dass die Teilnehmer fünf Kilogramm an Fett und einiges an Flüssigkeit verlieren werden. „Darum ist es so wichtig, den Energiehaushalt so gut es geht abzudecken.“
Die Route
Am ersten Tag geht es von Olsberg aus 213 Kilometer und 1.650 Höhenmeter nach Pfungstadt, von dort aus am nächsten Tag 211 Kilometer weiter nach Rust. An Tag drei heißt es 204 Kilometer und 2.000 Höhenmeter zu überwinden, bis die Gruppe Luzern erreicht. „Ein besonderes Highlight auf dieser Etappe ist der Texaspass am Kaiserstuhl“, so der Olsberger, der mit seinem Radteam auch die Schweizer Partnergemeinde, die witzigerweise ebenfalls Olsberg heißt, besuchen will. „Von Luzern aus fahren wir am nächsten Morgen weiter über den Gotthardpass mit der Tremola bis zum Lago Maggiore. Diese Etappe wird mit die härteste, denn 208 Kilometer und insgesamt 3.000 Höhenmeter gilt es zu bewerkstelligen und zu verkraften.“
Am fünften und sechsten Tag radelt die Gruppe über Mailand und Genua bis hin nach Varazze (zusammen 339 Kilometer und 1.380 Höhenmeter). Auf der letzten Etappe bis zum Ziel Nizza heißt es noch einmal, alle Kräfte zu mobilisieren: 1.750 Höhenmeter und 174 Kilometer müssen die Radfahrer stemmen. Ein siebentägiger Kraftakt wartet auf die Sauerländer, der bestimmt die ein oder anderen Wadenkrämpfe, Rückenschmerzen und Erschöpfungen beinhaltet. „Wir sind total aufgeregt, zählen schon die Tage, bis es losgeht. Die Jugendherbergen und Hotels für die Übernachtungen sind gebucht und bezahlt, der Bulli vom Skiclub Bestwig steht bereit. In ihm werden Essen und Getränke, Decken, Medikamente und so weiter transportiert.“
Und doch wird das Team – trotz bester Planung – seine Grenzen spüren. Schneeregen am Gotthard, bis zu 45 Grad in der Poebene und starke Winde an der Riviera werden den zwei Frauen und sechs Männern so manches Mal den letzten Funken Kraft rauben. „Egal, wie anstrengend es wird. Wir sind heiß wie Frittenfett, auch wenn uns vor manchen Etappen der Stift geht. Die ganze Fahrt werden wir dokumentieren und mit der Go-Pro filmen sowie viele Fotos machen. In den sozialen Netzwerken zeigen wir unsere Extrem-Tour täglich“, so Nagel, der seit seinem 18. Lebensjahr mit dem Rennrad unterwegs ist.
„Wenn wir in Nizza angekommen sind, werde ich wahrscheinlich weinen wie ein Kind. Voller Stolz, und weil wir diese Strapaze geschafft haben. Danach wird im Hardrock-Café gefeiert und anschließend tief und fest geschlafen, bevor es am nächsten Tag mit dem Bulli zurück nach Olsberg geht.“
Vorfreude auf eine der größten Herausforderung: Carsten Nagel (3.v.r.) und sein Team fahren mit dem Rad von Olsberg nach Nizza.
Foto: Privat